Weshalb "Kampfkunst" und "Sport mit kämpferischem Ursprung" einander entgegensetzte Konzepte sind.

1) Anhand der "Goldenden Regeln" (Shoto-niju-kun) von Gichin Funakoshi mit dem Satz "Karate-ni-sente-nashi", der ohne Zweifel der Prominenteste und in seinen beim Tempel Enkakuji von Kamakura errichteten Gedenkstein gemeißelt ist, und den man wie folgt übersetzt "Es gibt keine erste Bewegung (Angriff) im Karate."

Dieser Satz fasst die gesamte Einstellung zusammen, die der Karate-Praxis, wie den Kampfkünsten (Budo) im Allgemeinen, zugrundeliegen sollte. Die erste Bewegung, auch wenn sie von außen als eine Angriffsinitiative gesehen werden kann, muss als eine Verteidigung verstanden werden. Ein Ziel des langen Verstehensprozesses des Weges der Kampfkünste ist es, dass derjenige, der die Technik meistert, vom Katalog ihrer möglichen Anwendungen eine andere Sicht hat. Der Meister einer Kampfkunst offenbart niemals eine Aggression und die Antwort, die herbeigeführt werden kann, falls eine Konfrontation unvermeidlich ist, sollte nichts als eine Verteidigung gefolgt von einer kontrollierten Gegenantwort in Abhängigkeit von der Aggression sein. Weder Aggressivität noch rohe Gewalt. Dies ist der Grund, weshalb aus der Sichtweise des traditionellen Karatedo das Konzept des sportlichen Wettkampfes an sich unbegreiflich ist, wo der Einsatz lächerlich ist im Hinblick auf das Verhalten, welches im Angesicht von Leben und Tod ratsam ist zu haben. Schlimmer noch: Im Entwickeln von Aggresitivität widerspricht der sportliche Drang der Formung eines Menschen, wie sie durch ein authentisches Budo gepriesen wird. Es ist gleichermaßen das, was die klassischen Kata wachruft, deren erste Bewegung immer eine Verteidigung ist. Dieser Wille den Kampf nicht zu beginnen, die Heiterkeit und Harmonie, die er voraussetzt, muss im Dojo wie in allen Dingen des Lebens präsent sein. Es kann keine Herausforderung zwischen zwei Kampfkunstmeistern geben, da keiner der beiden das Bedürfnis verspürt, sich in einer Auseinandersetzung zu engagieren, die immer auch ein bisschen destruktiv ist.

2) Anhand der "Encyclopédie des Arts Martiaux de l'Extrême-Orient" von G. und R.Habersetzer, 2000 bei Editions Amphora erschienen, mit der Definition (auszugsweise), die dort für das Wort "BUDO" gegeben wird:

"Weg des Kampfes" oder "Weg des Kriegers". Von BU=Krieg und DO=Weg. Bezeichnet die Gesamtheit der als ethische Wege (Do oder Michi) praktizierte japanischen Kampfkünste, Wege der Vervollkommnung des Menschen auf der Suche nach Sich-Selbst. Die Gesten und Verhaltensweisen eines Kriegers, wie sie im Aikido, Aiki-budo, Iaido, Judo, Kendo, Kyudo, (der Fall des Karatedo ist etwas anders, da es sich nicht um eine Kampfkunst japanischen Ursprungs handelt) ausgedrückt werden, geprägt von dieser von den Kampftechniken herkommenden Optik, genommen in ihrer einfachen Aufgabe auf dem Schlachtfeld (Bu-jutsu). Sie sind das Resultat einer langen historischen Entwicklung. (...)

Durch das Erlernen der Techniken (Waza) und des perfekten Ausdrucks entwickelt der Übende seine Lebensenergie (Ki), aber vor allem formt er einen neuen, aus der Meisterschaft über sich selbst und aus Kontrolle bestehenden Geisteszustand (Shin), der ihn von der Gewalt, mittels derer er auf irgendeine Art "geformt" wurde, wegführt. Der Weg der authentischen Kampfkünste ist somit ein Weg der Bildung, des Friedens und der Nicht-Gewalt. In allen Künsten des Budo gibt es drei auf das Engste miteinander verwobene Komponenten, deren Gewichtung sich mit dem Alter und dem Fortschritt des Übenden ändert: die körperlichen Elemente (Tai), die technischen Elemente (Ghi) und die mentalen Elemente (Shin). Das Verkennen der einen oder anderen Komponente führt den Budoka sehr schnell in eine falsche Richtung, auf Zeit, zum nicht-Erreichen einer wahren Effektivität, ja sogar mit Problemen in seinem täglichen Verhalten.

Die heutigen sportlichen Anpassungen des alten Budo drücken nur sehr schwach (und für manche überhaupt nicht) diese Art von Besorgnis aus. Da das systematische Üben für den Wettkampf auf Kosten der inneren Suche (der Gegner ist in einem selbst), die die wahre Motivation des Budoka ist, sichtlich zu viel Wert auf äußere Resultate (der Gegner ist außerhalb) legt.

 

Übersetzt von Erhard Weidenauer